ichselber

Die Leidenschaft für die Kunst hat ebenso wie die Liebe zur Musik mein Leben geprägt. Als Sohn von Gastronomen machte ich zunächst eine Kellner-Ausbildung. Nun fehlte mir allerdings das Abitur – und ohne klappte es leider mit dem Kunststudium nicht, welches eigentlich mein Traum war. Ich versuchte es an der Abendschule nachzuholen, doch ohne Erfolg ...

Fast wäre ich an die Städelschule für bildende Kunst in Frankfurt aufgenommen worden. Dann war es mir jedoch erst einmal wichtiger, die Welt zu sehen und Geld zu verdienen. Auf den Fahrten zur See, die ich ab 1959 für diverse Reedereien unternahm, ging das Geldverdienen fix – leider galt das auch für das Wiederausgeben in den Hafenstädten, wo ich mich doch zuweilen sehr beim leichten Leben zusammenreißen musste. Gerade New York mit seiner aufregenden Kunst- und Musikszene war einfach zu spannend und wollte in vollen Zügen ausgekostet werden! Ich ließ kaum eine Gelegenheit aus, in den Bars die berühmten Jazzsänger der Zeit live zu erleben, und ließ mich durch die Museen treiben. Für mich war das Leben in Amerika eine Steigerung der „Ursuppe der Kultur“, die ich aus Frankfurt kannte. Aus ihr gingen die wichtigsten Strömungen des Jazz', der Lyrik, der Literatur und der Kunst in Deutschland zu dieser Zeit hervor. Ob in New York, den Niederlanden oder Deutschland – überall habe ich schon damals die Museen besucht, versucht die Kunst kennen und verstehen zu lernen. Nebenbei habe ich an Bord meine Studien betrieben, fast täglich gezeichnet und gemalt und Gitarre gespielt. Von den Eindrücken auf meinen Reisen habe ich mich zeitlebens inspiriert gefühlt.

In München ging’s ab 1962 von Job zu Job: Substitut-Leiter für Neckermann, Taxifahrer, sogar Kanalarbeiter ... und nebenbei wurde mit Künstlern und Literaten wie Uwe Lausen, Klaus Lea, Horst Bingel oder Julius Schittenhelm diskutiert, Musik gemacht und gefeiert. Ein paar Ausstellungen in Schwabinger Galerien ließen mich hoffen, aus mir könnte doch noch ein richtiger Künstler werden – aber der Erfolg blieb dann doch aus. Also wieder zur See. Mit den Weltreisen – zuletzt auf TS Bremen von Hapag Loyd als Barkeeper – war es dann allerdings 1971 aus, als ich mir in New York das Fersenbein brach. Ich kehrte in meine Heimatstadt Salzgitter zurück, arbeitete als Barkeeper. Und ich eröffnete schließlich den lang ersehnten eigenen Laden – und lernte Birgit kennen! Endlich konnte ich mich der Musik widmen – die Kontakte zu Musikern waren für mich ehemaligen Bandleader ja kein Problem. Meine Jazzgalerie im alten Dorf in Lebenstedt wurde zum Haupttreffpunkt der hiesigen (Musik-)Kultur-, allerdings auch der Drogenszene. Das war nicht immer einfach!

Das Reisen gab ich dennoch nicht auf: Ab 1974 ging es – meist gemeinsam mit Birgit – kreuz und quer durch Deutschland, die Niederlande, Italien ... kaum ein Museum, eine Ausstellung, Architektur ließ ich aus. Nicht zu vergessen die regionalen kulinarischen Spezialitäten: Wein und Käse in Frankreich, Trüffel in Italien ...! Als „Seelenverwandter“ faszinierten mich besonders die Entdeckung von Kunst-Outsidern wie Jean Dubuffet in der Collection de l'art Brut in Lausanne, des „Facteur Cheval“ in Hauterives mit seinem „Palais ideal“ oder Adolf Wölfli, dessen Kabinett ich auf der documenta 1972 sah.

1975 wurde die Junior Galerie in Goslar aufgelöst und liquidiert  – eine willkommene Chance, auf einen Schlag den Grundstock für die eigene Kunstsammlung zu legen. Zu dem Konvolut an Grafiken und Plakaten gehörten Werke von Warhol oder Enrico Baj, HA Schult oder Friedrich Schröder-Sonnenstern. Doch erst sechs Jahre später fand ich Platz, die Schätze auch zu zeigen. Als die ehemalige Heinemannshöhe wenige Meter von der Jazzgalerie entfernt verkauft wurde, wurde mein Traum von der eigenen Gastronomie wahr. Birgit machte ihre Küchenmeisterprüfung und stand dort am Herd. Endlich war Platz für Kunst: Ich malte die Räume teils von Hand aus, gestaltete die Speisekarten kunstvoll und setzte alles daran, aus dem alten Haus eine Mischung aus Kunstkabinett, Galerie, Bar und – natürlich – Gastwirtschaft mit exklusiver Küche zu machen. Mit Erfolg: Die Reinhardtshöhe zählte bald zu den besten 300 Restaurants in der Bundesrepublik. Für (noch mehr) Kunst blieb leider wenig Zeit – und Platz: Dafür entstanden umso mehr von den „Pötzen“, die zu meinem Markenzeichen wurden. Und meine Arbeiten waren öffentlich zu sehen: In Salzgitter wurden sie unter anderem in zwei Ausstellungen in der Stadtbibliothek gezeigt, die von meinem „Fan“ und regelmäßigen Restaurantgast Peter Jürgen Schneider (heute Niedersächsischer Finanzminister) eröffnet wurden.

 

1993 hatte ich genug von der Stadt Salzgitter, die uns fortwährend mit kaum erfüllbaren Auflagen für das Restaurant Knüppel zwischen die Beine warf. Ich verkaufte die Reinhardtshöhe, siedelte in die Altbayrische Botschaft nach Braunschweig um, die wir noch bis 1996 betrieben. Beim anschließenden Umzug nach Hannover zogen die Bilder in unser Haus um – es wurde ein Haus voller Kunst.

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