Tagebücher

Von 1960 an hat Reinhardt mehr oder weniger regelmäßig Tagebuch geführt – zunächst handschriftlich auf Ringbuchblättern, später dann am Computer. Die Tagebücher wurden transkribiert, redigiert sowie mit zusammenfassenden Einleitungen und, wo es sinnvoll erschien, mit erläuternden Zwischenkommentaren versehen. Der Ursprung für seine Kunst ist hier zu entdecken: Die schriftlichen Einträge, oft von den Notierungen des I Gings begleitet, wechseln sich mit Zeichnungen als bildliche Kommentare des Erlebten und Empfundenen ab. Eine Veröffentlichung der Tagebücher in gedruckter Form ist in Vorbereitung.

22.10.1965 - 1967

Tagebuch Walter Reinhardt 1965 Der Entschluss, künftig regelmäßig Tagebuch zu führen, markiert einen Wendepunkt in Walter Reinhardts Leben: Er lebt in München, ist unzufrieden mit seiner Jobsituation und stürzt sich in die Kunst und die Musik: Sich zwischen beiden zu entscheiden, fällt ihm offensichtlich schwer. Er nimmt sich vor, sich beides systematisch im Selbststudium anzueignen. Kaum hat er sich entschlossen, die Gitarre zu versetzen, meint er die Grundzüge des Spielens verstanden zu haben – und gibt die bislang gemalten Bilder mit Preisangaben zum Verkauf an eine Galerie. Von seinem Talent ist er überzeugt, doch werfen ihn immer wieder Selbstzweifel zurück. Sein chronischer Geldmangel, der Hang zum ausschweifenden Leben mit Drogen und Alkohol lenken ihn immer wieder von den seinen Vorsätzen, den selbst

1968 - 1969

Walter Reinhardt Tagebuch 1968 Mehr oder weniger ohne oder rasch wechselnden Jobs lebt Reinhardt weiterhin in München. Dort und auf seinen Reisen, die er Ende 1968 wieder aufnimmt, arbeitet er weiter intensiv in der Weiterentwicklung seiner musikalischen sowie seiner zeichnerischen bzw. malerischen Fähigkeiten. Selbstdisziplin übt er durch Meditation und mithilfe der Entwicklung eines persönlichen Mantras. Er notiert allgemeine Erkenntnisse über die Natur des Menschen, offenbar angeregt durch buddhistische Lehren. Im Frühling 1969 konkretisiert er seine Pläne mit dem Hotel, bahnt sich aber auch den Weg seiner Studien durch Zuhören, Notenlernen, (Nach-)Zeichnen und das Erlernen und Üben von künstlerischen Techniken – auch auf seinen Reisen. „Es ist auf jeden Fall eine Zeit, in der sich alles, aber auch alles zu klären…

1970

Walter Reinhardt Tagebücher 1970 Walter Reinhardt entwickelt im Verlaufe des Jahres 1970 immer wieder neue künstlerische Ideen, insbesondere für neue Techniken, etwa ein spezielles, vom Holzschnitt abgeleitetes Druckverfahren. Inhaltlich sind seine Zeichnungen häufig von ostasiatischer und japanischer Kunst und Philosophie beeinflusst. Auch das indonesische Schattentheater bringt ihn auf Ideen. Er übt sich in Kalligraphie, liest historische japanische Romane und Wittgenstein, dessen „Tractatus logico-philosophicus“ er für „unlogischen Brei“ hält. Erneut nimmt er sich vor, die Seefahrerei bald zu beenden und sich eine feste Existenz aufzubauen. Ende Oktober entwickelt er sein Logo, das er später noch leicht modifiziert. Zwischen den vielen Zeichnungen und den Texten, die sich immer wieder auch ums Abnehmen, seine gute…

1971

Walter Reinhardt Tagebücher 1971 Walter Reinhardt ist nach Salzgitter zurückgekehrt und arbeitet viel an seiner Kunst. Er ist auf Jobsuche, versucht sich darüber klarzuwerden, wie es weitergehen soll – Taxifahren, Seefahrt, eigener Laden ... ob in der Malerei seine Zukunft liegen kann? Depressionen plagen ihn, erfühlt sich zeitweilig wie gelähmt. Die beste Lösung scheint noch der oft überlegte Schritt in die Selbstständigkeit. Ende des Jahres arbeitet Reinhardt an der Fertigstellung von Bildern für eine Ausstellung. Sein Stempel, mit denen er später die meisten Arbeiten markieren wird, taucht dabei häufig auf

1972 - 1973

Walter Reinhardt Tagebücher 1972 1972 beginnt Reinhardt die Aufzeichnung des Tages häufig mit dem Mantra. Im Tagebuch notiert er stichwortartig Ideen für seine Kunst sowie diverse gestaltete Objekte, dazwischen finden sich zwischen den Reflektionen eingestreut. Er beschäftigt sich Anfang des Jahres 1972 intensiv mit der Kunst, insbesondere mit dem Zeichnen des Ornaments, und übt sich auf der Gitarre. Mit den Ergebnissen ist er jedoch nicht recht zufrieden. Er versucht es eher erfolglos mit einigen Jobs und träumt von der eigenen Bar. Ab Juni werden die Pläne für den eigenen Laden konkreter und schließlich Wirklichkeit: Die Jazzgalerie eröffnet im Herbst 1972. Es läuft gut an, doch die Anfangseuphorie weicht schnell der ersten ernüchternden Erkenntnis, wie viel Arbeit die eigene Gastronomie bedeutet – und nun doch wieder…

22.12.1973 - 30.12.1979

Walter Reinhardt Tagebücher 1974 Reinhardt hat sich in Salzgitter eingerichtet und richtet sich mit seinem Leben hinter der Bartheke des eigenen Ladens ein. Der Kampf mit seinem Gewicht beschäftigt fast dauernd – auch als notwendige Voraussetzung, um die Frau fürs Leben zu finden. Das klappt nun endlich: Er lernt nach einigen weiteren Enttäuschungen Anfang April 1974 seine spätere Frau Birgit kennen. Trotz glücklicher Verliebtheit und der Energie, die ihm seine Liebe gibt, bedauert er aber immer wieder auch den fehlenden Antrieb zum Malen und Gitarrespielen. Zudem taucht der Wunsch nach einem großen gastronomischen Betrieb auf, zu dem ihm jedoch das nötige Geld fehlt. Er plant mit Birgit seine Zukunft. Das Tagebuch führt er unregelmäßig. Immer wieder beschäftigt ihn auch körperliches Leid von Menschen in seiner Umgebung…

06.02.1980 - 10.04.1982

Walter Reinhardt Tagebücher 1980 In den ersten beiden Jahren der 80er hat WR viel durchzustehen – beruflich wie privat. Er entschließt sich zu einer Kur mit Nulldiät – offenbar zunächst erfolgreich, denn das Thema Gewicht verschwindet aus den Einträgen. Beim quälenden Hunger entsteht ein Gedicht, das er Birgit widmet, die sich zunehmend als Anker und Zuflucht in seinem von Zweifeln und Rückschlägen geprägten Leben erweist. Er sorgt sich um seine Mutter, der es zunehmend schlechter geht. Sie stirbt am 9. August 1980. Auch mit der Jazzgalerie läuft es nicht rund. Mitten im Zentrum der Drogenszene des Dorfes gelegen, wird sie regelmäßig von „Freaks“ besucht, ihr Ruf leidet. Es werden öffentliche Forderungen laut, die vom Drogenhandel und -konsum des Ortes betroffenen Jugendlokale zu schließen. Reinhardts Mitarbeiter zeigen…

09.05.1982 - 28.10.1985

Walter Reinhardt Tagebücher 1982 Eine gewissenhaft dokumentierte, ausgedehnte Italienreise mit Birgit im Sommer 1982 bildet den größten Teil des Buches. Parallel wird ab Mai 1982 der Kauf von Heinemann's Höhe vorangetrieben, das ist hier jedoch nur ein Thema am Rande. Das Tagebuch nutzt Reinhardt ab 1983 nur sporadisch. Er füllt es hauptsächlich mit Zeichnungen, die oftmals seine aktuellen Stimmungen und Empfindungen kommentieren und entsprechende Titel tragen. Nach Rückkehr von der Reise zeugen die Einträge meist von frustrierten, bisweilen sogar depressiven Gedanken. Die geschäftliche Situation der Jazzgalerie und der Stimmung im Dorf werden immer schlechter – Reinhardt meint, dass dort alle gegen ihn sind. Der Verkauf der Jazzgalerie naht.

08.11.1985 - 21.06.1990

Walter Reinhardt Tagebücher 1986 Reinhardts Eintragungen in den Jahren 1985 bis 1990 sind so spärlich, dass sie gerade einmal einen rund 60-seitigen Band füllen. Sie drehen sich hauptsächlich um den Alltag im Restaurant und erstrebenswerte Umbauten, die auch finanziert werden wollen. Es gibt einige Anmerkungen und Magazin(foto)ausschnitte zur Literatur und Kunst. Reinhardt lässt seinem Ärger mit Birgit und den Mitarbeitern in puncto Restaurant Luft, bedauert einmal mehr die zu knappe Zeit für die Kunst. Er experimentiert mit Grafikprogrammen. Ein Alkohol- bzw. Drogenproblem wird angedeutet. Mit dem Geschäft geht es auf und ab, jedenfalls gut genug, um Projekte zu planen – wobei es ihm offenbar mehr auf das Pläneschmieden als die tatsächliche Realisierung ankommt. Er liest viel, erfreut sich an Lyrik, entdeckt die Lust am…

24.07.1990 - 23.02.1992

Walter Reinhardt Tagebücher 1990 Reinhardt führt sein Tagebuch von 1990 an fast ausschließlich per Computer. Viele Gedankengänge und Überlegungen sind nun klarer ausformuliert, als es zuvor oft der Fall war, die kreativen Ideenskizzen und Inspirationen für seine Kunst fehlen bis auf bewundernde Beschreibung von Musik und Musikern fast gänzlich – was ihm durchaus bewusst ist. Es ist die Zeit des Irakkriegs, der RAF-Attentate, die Mauer fällt – Themen, zu denen sich Reinhardt auch in seinem Tagebuch äußert. Er zeigt Sympathien für die „Aussteiger“, die biertrinkend in der Einkaufszone herumlungern, ob ihrer offenbar selbst gewählten Freiheit – anders als er frei von Verpflichtungen und Forderungen. In diesen Jahren ist der Betrieb der Restaurants weitgehend gesichert, jedoch stören Reinhardt zunehmend die Routine, die…

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