1970

Walter Reinhardt entwickelt im Verlaufe des Jahres 1970 immer wieder neue künstlerische Ideen, insbesondere für neue Techniken, etwa ein spezielles, vom Holzschnitt abgeleitetes Druckverfahren. Inhaltlich sind seine Zeichnungen häufig von ostasiatischer und japanischer Kunst und Philosophie beeinflusst. Auch das indonesische Schattentheater bringt ihn auf Ideen. Er übt sich in Kalligraphie, liest historische japanische Romane und Wittgenstein, dessen „Tractatus logico-philosophicus“ er für „unlogischen Brei“ hält. Erneut nimmt er sich vor, die Seefahrerei bald zu beenden und sich eine feste Existenz aufzubauen. Ende Oktober entwickelt er sein Logo, das er später noch leicht modifiziert. Zwischen den vielen Zeichnungen und den Texten, die sich immer wieder auch ums Abnehmen, seine gute Vorsätze und seine Zukunftspläne drehen, findet sich immer wieder das Mantra eingestreut – zuweilen auf mehreren Seiten hintereinander. Ein Unfall, bei dem er sich am Fuß verletzt, macht das Fahren zur See unmöglich und fesselt ihn im November  – zunächst in New York – ans Bett.

29.1.70
Heute in Barbados, ein sexuelles Fest des Jazz.
Am Port sehr gute Steelband. Timbales sind nichts anderes als eine Improvisation zu einem Ton. Außerdem sind die Latin-Improvisationen so kompliziert, weil jeder auf harmonische Weise oder besser kontraproduktive Weise gegen den anderen spielt.
Mit anderen Worten, als Kind prägt sich der Rhythmus als Ganzes ein. Rhythmus aus allen Instrumenten und Kochtöpfen.
Damit versucht jeder den anderen in einer heimtückischen, manieristischen Art zu übertrumpfen. Wobei aber niemals das Gesamtergebnis in Frage gestellt wird.

1.2.70
Träume
Der Traum von dem jungen Mädchen, 2 an der Zahl. Sie sahen so ähnlich aus wie die beiden, die ich heute in der Gziaira gesehen habe.
Der Kampf mit dem Wolf.
Ich wohnte in verschiedenen Wohnungen. Auch spielten Häfen eine Rolle.
Ewald wohnte im Souterrain und ich wollte ihn besuchen. Ich bekam dann eine Wohnung im Gartenhaus. Ewald hatte es hinter einer Säule versteckt. Dann hörte ich von dem bevorstehenden Kampf des kleinen Jungen mit einem erwachsenen Wolf. Kein Mensch konnte ihm helfen. Sie waren alle um ihn besorgt. Ich gab Ihm einen Korkenzieher und zog das Messer und den Sektbecher heraus.
Der Junge gewann den Kampf, bezahlte es aber mit dem Verlust des Bewusstseins und Gedächtnisses, er konnte nur noch lalalalalala und summen – sonst nichts.
Wenn ich daran denke, wird es mir angst und bange.
Mit anderen Worten, es ist wieder einmal eine entscheidende Wende in meinem Leben eingeleitet.

17./18.2.70
Mantra:
Nur wenn man den Dingen so wie sie sind, ins Auge zu schauen vermag, ohne jeden Selbstbetrug und Illusion (der Rest löst sich in Striche auf)
Walter Reinhardt Tagebücher 1970
31.3.70
Was sich hier wirklich zu einem Problem entwickelt, ist meine Sucht, so viel zu fressen, dass ich zu fett werde. Irgendwie muss ich da Abhilfe schaffen – wenn ich es tatsächlich auf dem Gebiet der Kalligraphie zu etwas bringen will, dann muss ich meine Schrift  wesentlich verbessern. Vor allem muss ich mich wohl oder übel mit der Schrift befassen.

3.4.70
Heute Nachmittag hatte ich einen Traum, in dem ich einen entscheidenden Sieg gegen das Tier errungen habe, und zwar gegen eine Tigerkatze. Aber die Katze konnte mir nichts anhaben, denn ich trug meinen Feuer-Wolfspelz und die Katze biss nur in den Pelz. Mich konnte sie nicht verletzen.
Es war das erste Mal, dass ich einem Tier offensichtlich überlegen war. Erst kniff ich es in die Wange und dann ergriff es die Flucht.

4.4.70
Jetzt bin ich wieder einmal an einem Endpunkt mit der Musik. Wenn das alles doch bloß nicht so langsam mit mir ginge. Klar ich bin vorwärts gekommen, aber man muss viel Geduld haben, so langsam bekomme ich auch System in die ganze Geschichte und werde unabhängiger.

Ich muss mir auch die Animals in Motiven kaufen. Es sind so viele Dinge zu tun. Einen Entwurf durcharbeiten, so lange, bis er dem Imago gleicht. Nicht mit dem Erstbesten zufrieden geben. Ich kann ja alles malen. Warum nicht der Vorstellung entsprechend.

5.4.70
Ich muss mich vor allem konzentrieren auf die Dinge, die ich gerne tun müsste. Wenn ich Musik mache, ganz Musik sein, wenn ich male, ganz Malerei.
Und wenn ich abnehmen will, muss ich mich ganz auf Abnehmen konzentrieren.
Mir will das Gengi Monogatari nicht aus dem Sinn. Es ist ähnlich wie der Traum der roten Kammer, aber viel gleichförmiger, was nicht meint, dass es weniger schön oder spannend ist. Es ist mir auch viel fremder, als die Chinesen jemals sein könnten. Auf der anderen Seite so vertraut, was die Malerei und die Haiku anbelangt. Das Kin Pin Meh und die Räuber vom Liang Schang-moor sind mir etwas fremd.

9.4.70
Indonesische+ Schattenspielfiguren verwenden für eine gigantische Montage, evtl. Film und Reklame!

Auf jeden Fall hat sich allerhand angestaut, das darauf wartet verwendet zu werden.
Die bisherige Form des Tagebuchs war immer sehr fruchtbar, aber in anderer Form ist nicht gewiss, was daraus werden soll.

Die Assemblagen, Druck nach Art der Steinabreibung oder Papier anfeuchten und dann mit Lack sprayen etc., bestäuben

11.4.70
Ich habe eben das Gedichtpapier von Hu Cheng-yen in der Hand gehabt.
Etwas Ähnliches ist nur ohne zu großen Zeitaufwand mit Ätzungen und Radierungen möglich. Wobei die Farben zu mischen eine wichtige Angelegenheit ist und hinterher für Transparenz etwas abtupfen, das die eng begrenzten Flächen verbindet ...

26.4.70
Der Einfall, die Toilette mit Kunstdrucken zu tapezieren, ist einfach genial.
Manchmal habe ich das Gefühl, einmal Jude gewesen zu sein, ein andermal ein Lama, ein andermal ich weiß nicht, denn alldem nach muss ja irgendetwas dran sein.
Irgendwie verstehe ich Wittgenstein, habe aber etwas mit Leibniz zu tun gehabt. Wittgenstein erinnert mich an Leibniz.

Ich habe solch eine Hölle von Persönlichkeit, dass mir fast übel davon wird.
Was soll das werden?

27.4.70
Ich darf vor allen die Monotypien nicht vergessen. Eine fast perfekte Technik für meine Verhältnisse.
Monotypie + Siebdruck, Radierung und Linolschnitt
 + Briefpapier für Verliebte / Haiku-Übungen


9.4.70
Auf jeden Fall hat sich allerhand angestaut, das darauf wartet, verwendet zu werden.
Die bisherige Form des Tagebuchs war immer sehr fruchtbar, aber in anderer Form ist nicht gewiss, was daraus werden soll.

17.5.70
Denn nur dadurch, dass die eindringliche Beeinflussung immer in derselben Richtung wirkt, wird etwas erreicht.
Konzentration auf die eine Richtung = Erfolg. Man verliert dadurch den Überblick.
Der Herrscher ist nur deshalb nötig, weil er Mensch ist. Man ist nur Herrscher, wenn man erkennt, dass die Voraussetzungen für das Herrschen gegeben sind.
Das Konzentrieren auf eine Betätigung ist nur Charakterlosigkeit.
Wenn man doch einmal einen Satz unzweideutig schreiben könnte. Das Unvermögen Wittgensteins, sich auszudrücken, endete schließlich in seinem ganz und gar unlogischem Brei des Tractatus (Ludwig von Wittgenstein: "Tractatus logico-philosophicus" über die Entwicklung einer philosophischen Sprach- und Bedeutungstheorie, Anm. d. L.). Ich glaube er war wesentlich schlechter dran als ich (was leicht zu sagen ist, weil ich den Tractatus kenne).
Im Grunde (der!) oder besser Im Grund!?! Ist alles umkehrbar! Es ist bar in jeder Umkehr.
Nu?
Was is bar, mecht‘s sein was Gutes.
Jede sorgfältige Arbeit ist vom Heil begleitet. Wo bleibt da der Erfolg.
Bronze ist ein wertvolles Erkenntnismaß.
Wenn man stoned ist, dann kann man anfangen zu denken.
Die Bibel war harmlos.
Es ist so einfach, deutlich zu schreiben.

Nur wirkliche Leistungen werden mit einem höheren Erkenntnisniveau belohnt.
Das ist völlig unverständlich, das Leben und das Schicksal.
So wie ich schreiben nur Götter.
Mein Gott ich, woher nehme ich die Unverschämtheit. Ende!

27.5.70
Also aufpassen und konzentrieren.
Wieder einmal die Jagd nach dem Unmöglichen am 21.5.70 Depression. Nichts will gelingen mit der Gitarre. Wenn du mal so weit bist wie ich, dann brauchst du auch kein Shit mehr. Auf der anderen Seite ist es ganz gut, dass er da ist.
Die Nutten sind nett, der Drink hat gut geschmeckt, außerdem muss ich die Angst vor dem Notizbuch verlieren.

So langsam habe ich eine derartige Sehnsucht, etwas sehr Plastisches zu tun, zumal ich jetzt ein ganzes Arsenal von neuen Hilfsmitteln habe. Das Genie braucht keine Hilfsmittel – ich aber werde mich ihrer bedienen, bis ich ihrer nicht mehr bedarf. Selbst auf die Gefahr hin, von den Hilfsmitteln auf ihr Niveau gezogen zu werden. Eines weiß ich ja doch ganz genau. Ich werde gewinnen ....

Es gibt so viel zu tun und so wenig zu beklagen. Es dauert nicht mehr lange, und du wirst froh sein, wenn du auf Zeitungspapier deine Botschaft schreiben kannst ...
Es gibt ein System einer Belohnung, und das ist ein Jahr alle 2 Urlaube, nur Gitarre und Malen ....

Alles gründlich machen.Walter Reinhardt Tagebücher 1970
Aber es ist richtig, die tiefen Stellen der Unwissenheit auszufüllen, bis kein Hindernis mehr da ist. Ebenso ist es mit Malen und mit Abnehmen und ich glaube, es steht alles im engeren Bezug zueinander.

3.6.70
Mir bleibt auch nichts erspart, jetzt muss ich die Gitarre doch noch systematisch lernen, sonst komme ich nämlich nie weiter, außerdem muss ich jetzt systematisch abspecken. damit ich wieder eine einigermaßen Figur bekomme.

4.6.70
Der Grund, warum der Negro-Blues so ausdrucksvoll ist, ist der, dass er als Lamento konstruiert ist und die Harmonik nur eine nebengeordnete Rolle spielte. Instrumentale Blues haben einen unbekannten lyrischen Gehalt, der nicht unbedingt aus dem Titel hervorgehen muss.

Monk als Exempel: in “Blue Monk” hat er seine Entsprechung gefunden, er nimmt das Stück als Anhaltspunkt, um von dort über seine täglichen Erlebnisse zu meditieren.
Stoned sein ist Konzentration auf alles Dinge um sich, und einer plötzlichen Eingebung folgend wendet man sich einer Sache zu und schöpft dem objektiven und subjektiven Gehalt bis zur Grenze der Wahrnehmung mal aus.
Und nun frage ich, warum die Leute oder das Gesetz etwas gegen diese Drogen haben.

Im Grunde genommen bin ich ein Portraitist. Aber man kann es ja versuchen ...
Aber ich habe keine Lust, reproduktiv tätig zu sein und dann eine Fotografie zu machen. Je mehr ich mich  mit dem Gedanken beschäftige, desto mehr habe ich Lust dazu. Jetzt fällt mir ein, was ich bisher verabsäumt habe – Bilder von all den Menschen zu malen, die ich kenne.

6.6.70
Das hat auch Monk erkannt, er portraitiert den Tag in „Blue Monk“.
Meine Zukunft liegt im Portrait, weil alles, was ich jemals malte, ist Biograßlich.

Für den entschlossenen Kampf des Guten zur Beseitigung des Bösen gibt es aber bestimmte Regeln, die meist außer acht gelassen werden dürfen, wenn man Erfolg haben will:
1. Entschlossenheit muss auf einer Vereinigung von Stärke und Freundlichkeit beruhen.
2. Ein Kompromiss mit dem Schlechten ist nicht möglich.
Es muss unter allen Umständen offen abgehandelt werden. Ebenso dürfen auch die eigenen Leidenschaften und Fehler nicht belohnt werden!
3. (...)

9.6.70
Dass man ab und an eine Verschnaufpause einlegt, ist klar, aber man muss sich immer die Möglichkeit geben, dort weiterzumachen, wo man aufgehört hat (wenn man es will).
Es ist für mich sehr interessant zu beobachten, wie die zwei Seiten von mir, nämlich

Apollinische             dionysisch
klar                            leben
leben                         warm
flau                            blau
klar                            sprudelnd
grün                           gelbgrün
heiß                           auslaufend
endlich                      universell
Zen                            apostolisch
apollinisch…                       dionysisch
Welt                           …………..
Sonne                       Alpha
Weit                           eng
süß                            bitter
sauer                        breit
sämig                       Gebhard

miteinander kämpfen. Und welche Seite wird gewinnen.
Verlieren wirst du sowieso, weil du niemals alles schaffen kannst, was du erreichen willst.

Es wird etwas Neues kommen, anstelle des Alten.
Feine Zeichnen zart gesetzt und vergessen sind Goldener Schnitt ...
Ich weiß noch nicht, wie es weitergeht, aber ich lerne Gitarre und mache Fortschritte im Guten!

10.6.70
So langsam gewinne ich Oberhand über meine Bestimmung, nach 25 Jahren Kampf so viel Verfehlung, aber ich gewinne.
Große Bilder mit Filzschreiber auf Japanpapier

11.6.70         
ich könnte ja auch mal eine Reise nach Nepal machen und dort das Höchste persönlich aufsuchen. Das wäre eine Möglichkeit, und unterwegs nur malen mit Filzschreiber und Aquarell und zum Schluss nur mit Stift und Sumi-e, das wäre von Vorteil. Vorher den Wagen 100% überholen lassen von wegen Pannen und dann nichts wie los.
Man kann es auch mit Marokko versuchen. London oder Paris, am besten aber an der Küste und ein Sumi-e-Buch. Am besten Spanien und Portugal.
Man könnte vor allem mal abnehmen und systematisch Gitarre lernen!!!

18.6.70
Ich habe eine solche Sehnsucht nach einem Zuhause. Mit Frau + Kind und Taxi, ich kann es nicht erwarten.
Ich möchte schon Drucke machen und herstellen, was mir einfällt. Und ich werde mir das Dali-Buch kaufen und den Turner und den Whistler.
An und für sich ist das Gemalte notwendig, weil ich brauche es nur zu Landschaften, um zu einem Ergebnis zu kommen.

Ich muss mir Gedanken machen über den chinesischen Holzschnitt. Ich könnte z.B. für größere Flächen irgendwelche schönen Holzstrukturen aussägen und auf eine Grundplatte aufkleben und die Details mittels einer Radierung einzeichnen.

Am besten, du schreibst und machst einen Roman über dein Leben. Ein Roman, der eine Persönlichkeit schildert, die zu nichts kommt. Etwas völlig Neues, nämlich die Wahrheit, die niemand haben will, mit Bildern.
Eine Entwicklung in 6 Folgen zu je 1000 Blatt, 500 Schrift, 500 Bilder ...

25.6.70
Ich muss mich daran gewöhnen, vor jedem Zubettgehen und vor jedem Aufstehen bestimmte Übungen zu machen.
Auf + zu, über das Ziel nachdenken.
Bauchübungen 15-x25x , Füße hoch und Luft anhalten, Nase säubern ...

Man müsste sich an sich viel mehr Mühe geben mit dem Briefeschreiben, aber wenn man Briefe schreibt, dann erwartet man zumindest Verständnis für den Brief.
Und was soll man schreiben? Auf jeden Fall wird es Zeit, dass ich aufhöre, über meine Werke zu reden und wie ich sie herstelle. Es hat keinen Witz, über Kloster zu sprechen, wenn man nicht hingeht!

4.7.70
Seit heute weiß ich dass es ein Ziel gibt. Ich glaube, ich werde alt, denn Ziel heißt Vollendung und Vollendung Tod! Es gibt eine kleine Vollendung, das ist der Tod des Bürgers angesichts seines Hauses, das er seinem kleinen und fleißigem Leben abgetrotzt hat.

Ich will nichts Unvergängliches schaffen, sondern ich will den Menschen nahebringen, was Liebe und Leben und was Frieden verheißt!
Um andere sammeln zu können, muss dieser Mittelpunkt oder Sammlung erst in sich selbst gesammelt sein.

8.7.70
An sich laufen die Dinge ja gar nicht so schlecht, ich immer noch am Ball, und ich spiele täglich. Mit System wäre ich schon fertig, ohne System ist es viel schwerer.
Aber meine Körperpflege hat System, ebenso die Art zu sammeln.

Das jetzt ist vermutlich meine letzte Sammlung. Ich hoffe, dass ich eines Tages Gitarre aus dem Kopf spielen kann und Bilder ohne Hilfe aufs Papier ... dann brauche ich kein Taxi, kein Haus, keine Rente und kein Geld, denn ich habe die Welt in der Tasche.

Es wird so langsam Zeit, dass die Seefahrt ein Ende nimmt, und ich muss dieses Mal endgültig die Fahrt nutzen und daran gehen, etwas zu schaffen. Manchmal habe ich jetzt genug.

Wenn es gelingt, dem Leben und dem Schicksal den richtigen Platz auszusuchen ...

Erst wenn man klar erkannt hat, dass die Leidenschaft Leid bringt, vermag man sich so zu entscheiden, dass man das Niedere von sich abtut und die höheren Freuden erstrebt.

1. Über das Ziel, was will ich wirklich:
(Mantra): Nur wenn man den Dingen, so wie sie sind, ins Auge zu schauen vermag, ohne jeden Selbstbetrug und Illusion, entwickelt sich aus den Ereignissen ein Licht, das den Weg zum Gelingen erkennen lässt.

2. Über den Körper
Immer Haltung, Yoga üben, Boxen, Gewichtheben, Bauch: Fettgymnastik
weniger Essen, Rauchen einstellen, Geld sparen, körperliche Ertüchtigung
Gründe der Depression

3. Über die Seele
Meditieren über das gesamte Spektrum des religiösen Denkens. Moral + Ethik, „Ich und die Umwelt“, Depression, Träume, über den Tod, über das Sterben.

4. Über die Musik
Gitarre Bass, Noten, immer Haltung

5. Über das Malen
Malen und die inneren Bilder
Achtgeben und Malen
Übungen und möglichst viel zeichnen, langsam den Körper zulassen. Und dann Tiere und Pflanzen. Kalligraphie

6. Poesie
1 Haiku oder Metapher, über Haiku nachdenken und zusammenfassen. Jeden Tag neu.

7. Tao. Zusammenfassung aller Dinge und die Mikro- und Makrowelt.

6.9.70
Science-fiction: Ich bin mir selbst begegnet
Organisationsbericht Exzerpte
mangelnde oder fehlende Koordination der einzelnen Abteilungen.
Ungerechte Mannschaftsführung in Abt. Bedienung Küche + Salon. Immer noch kein Nummerausgabe-System wie im Kaufhaus.

Das Böse wird am besten und wirkungsvollsten bekämpft durch eigenes Talent im Guten.Walter Reinhardt Tagebücher 1970

17.9.70
Manchesmal frage ich mich, warum ich mir noch so viel Mühe mache. Es ist doch alles so, diese Vorhaben anzukämpfen. Man will seine Schulden bezahlen und sehen, dass man mehr bekommt.

4.10.70
So langsam muss ich mich darauf vorbereiten, daß ich mich wieder an Land ansässig mache. Du kannst 2 Monate nach Portugal ziehen oder zurück und Gitarre lernen und malen etc. Ich glaube, mit diesem Anlauf werde ich es schaffen!

12.10.70
Utopische Romane mit Fachleuten schreiben und anteilmäßig den Gewinn verteilen, wenn später zu viel, dann Institut für sonstwas gründen.
Es ist sehr schwierig, ein Ganzes durch immerzu wechselnde Etitüden zu schaffen.

18.10.70
Ausstellung Faces im Contemporary Crafts, dann China Town und Ausstellung in der 51. Str.

Walter Reinhardt Tagebücher 1970
Fuß verstaucht + wenn das man nichts war, seitdem im Bett und versuche wieder auf die Beine zu kommen ... (Mantra)

Ich hab mit dem Besenstiel gezwitschert, wir konnten uns prächtig verständigen. Der da oben ist netter und hilfsbereiter, als er aussieht.

20.10.70
Der Fuß ist beschissen, und jetzt stehe ich da. Bin gespannt, wie das wird.
Die werden mich wohl nach Hause fliegen. Mir soll’s recht sein. Die Hauptsache, ich krieg meinen Satz.

Die 7 Sätze des Ludwig Wittgenstein

26.10.70
Nun bin ich seit zwei Wochen schon flügellahm, und mehr werde ich in NY nicht mehr dem Ruf folgen. Doch wäre es schön, wenn ich bald wieder laufen könnte.



27.10.70
Wenn ich nächstes Jahr auch nur einigermaßen genug habe, dann kann ich aufhören. Walter Reinhardt Tagebücher 1970Material habe ich für die nächsten 50 Jahre und es braucht ja nur für Taxi 10.000, Wohnung 7.000. Das ist so ziemlich alles und dann sparen auf großes Taxi und dann auf Haus und Pension, mit 60 Pension und dann malen und Musik und Frieden und pennen und Pilze und Hund etc.
Fettsucht ist Neurose. Jetzt hast du nicht nur Kummer mit deinem kleinem Lümmel, sondern auch noch mit der Angst vor dem Altwerden.

28.10.70
Auch ein Trick: eine Pleite gegangene Firma aufkaufen und sanieren.

29.10.70
Eigentlich ist es doch recht schwierig, herauszufinden, was man eigentlich will. Ich habe schon immer Leute bewundert, die ein festes Ziel haben und auch danach handeln, und dieses Ziel auch erreichen. Ich weiß nicht. Ich war ja schon immer eine Natur, die in Ihren Zielen sehr schwankend war. Einmal wollte ich Generalfeldmarschall werden, auf der anderen Seite Forscher. Und an dem hat sich augenscheinlich wenig geändert.
Auf der einen Seite will ich mir ein Taxi kaufen malen und Musik machen. Auf der anderen Seite als Vertreter viel Geld verdienen, um damit angeben zu können und um an kleine Mädchen ranzukommen.
ich halte das Taxi für die bessere Möglichkeit obwohlWalter Reinhardt Tagebücher 1970 als Vertreter neue Städte usw.
Im Grunde bin ich ein heimatloser Abenteurer, der (...) zu feige und schwach ist, um sich unter anderen Abenteurern durchzusetzen, so versiegt sein ganzes Talent, weil er immer nur in Halbheiten bleibt und sein hauptsächliches Streben nach Sicherheit ist fast ekelerregend ...

31.10.70
Die 7 Allgemeinplätze des Ludwig Wittgenstein (Mantra)
Das Taxi ist mit Abstand die beste Möglichkeit.
Wenn es irgend geht, dann mache ich nächstes Jahr Mai Schluss.
Ich hab so ziemlich alles zusammen, was ich brauche. Jetzt brauche ich nur noch fleißig arbeiten. Was ich an AN-1 noch brauche, das kann ich mir ja schicken lassen.

2.11.70
Da ist z. B. meine Schrift, die jeden Tag anders ist. Manchmal habe ich den Eindruck, als wenn ich gewohnt wäre, mit Pinsel zu schreiben und mir der Stift und die Links-nach-
rechts-Schrift schwer fällt.

2.11.70
Ich muss mir langsam wieder Gedanken darum machen, was ich eigentlich will, aber auf der anderen Seite soll man in einen sich kontinuierlich entwickelnden Prozess nicht Walter Reinhardt Tagebücher 1970eingreifen. Aber es wird wirklich Zeit, dass ich bald an Land gehe, allerhöchstens  zweieinhalb Jahre, bis Mai 72, aber dann Schluss, evtl. früher. Ich muss mir vor allem abgewöhnen, so perfekt und so lange zu planen. Wichtig ist es auch, sich den (...) und der Abstraktion in der Gegenwart zuzuwenden. Gut geplant hattest du in Musik und Malerei, das sind auch die wichtigsten Gebiete neben Sex, für den Sex plane ich mit Abnehmen und Training, außerdem musst du deine Angst verlieren und wenn es sein muss, rangehen und nicht den Kopf verlieren. Nicht ein Schläger werden, aber auch nicht ein Feigling – der viel redet und eine große Schnauze hat.

4.11.70
Was ist jetzt eigentlich meine Krankheit, daß ich abnehmen will oder daß ich zu fett bin? Wenn ich mir so richtig überlege, dann liegt einmal ein Grund darin, daß ich nur selten etwas richtig genossen hab, ohne an die Folgen später zu denken, das dürfte auch ein wichtiger Grund sein. Aber um mich von einem großen Teil meiner Frustrationen zu befreien, muß ich abnehmen, um wieder eine gute Figur zu bekommen und um mein Lebensalter zu verlängern. Zum anderen muß ich mir wieder schon Klamotten anschaffen, damit ich auch etwas attraktiv aussehe.

5.11.70
Die Idee mit dem VW-Bus durch Europa ist gar nicht mal so schlecht. Der Bus mit allem  Drum und Dran kostet 7-8.000,- Mark ... du kannst darin übernachten, brauchst kein Hotel und …  kannst Du Dir kochen und wenn Du willst und sparsam bist, dann kannst Du ein Jahr und mehr unterwegs sein und durch Malerei noch Kohle verdienen.

6.11.70
Im Grunde genommen habe ich ja immer auf eine Situation hingearbeitet, wie sie mir bei Ankes Weggang passiert ist. Es war für mich der Höhepunkt, mich ungerecht behandelt  zu fühlen und so mit meinem Sarkasmus an andere Leute wie Martin Jimmy, Don etc. auszulassen. Dabei bin ich nicht ungerecht.
Der Schlüssel ist dafür schon gewesen, ich wäre gern mit Mädchen gegangen, die in die Oberschule gegangen sind. etc .etc. Seither habe ich (..), bis ich heute so weit bin, daß ich es nicht mehr nötig habe, mit meinem Wissen anzugeben.

7.11.70
null uhr fünfzig
Habe die Bolzhal genommen. Bin gespannt, was dabei herauskommt.
0.50
Scheiße, noch nicht einmal eine schlechte Reise, einfach Scheiße. Kopfschmerzen kommen vom Alkohol. Trinke Vichy gegen Übersäuerung.
05.30
Einige nette immer wiederkehrende Muster im grünen Vorhang. Holz zieht sich zusammen, auf die stimulierende Wirkung der Iris zurückzuführen. Aber sonst nichts, was sonst normal wäre, außer der Frage, was ist normal. Eine an sich lächerliche Frage.
Was ist normal? Kosmisches Gelächter!

7.11.70
Und die Moral von der Geschichte: Was du tust, das tue konzentriert. Dass ich das immer wieder vergesse.

23.11.70
Was du tust, tue konzentriert. Jede Tätigkeit hat den Aspekt des Un- oder Nicht-wiederholbaren.

29.11.70
Eigentlich ist es Unsinn, länger leben zu wollen, als man soll, nur Durchschnitt ist 80 Jahre, und wenn es Gott gut meint, dann lässt er dich 116 werden bei guter Gesundheit. Und es kommt wirklich nicht darauf an, ob du ein Bild mehr oder weniger malst.
Im Wesentlichen kommt es darauf an, nicht wie alt man wird, sondern was oder wie man denkt.
So wie ich die Dinge jetzt sehe, könnte ich genauso im Jahr 2050 leben oder 2350, weil ich mit der Zukunftsentwicklung eigentlich vertraut bin.

2.12.70
Ich habe so eine Sehnsucht, wieder eine Wohnung zu haben.
Ich glaube, wenn ich vom Schiff gehe, dann hab ich den Tod überwunden ...
Walter Reinhardt Tagebücher 1970

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