06.02.1980 - 10.04.1982

In den ersten beiden Jahren der 80er hat WR viel durchzustehen – beruflich wie privat. Er entschließt sich zu einer Kur mit Nulldiät – offenbar zunächst erfolgreich, denn das Thema Gewicht verschwindet aus den Einträgen. Beim quälenden Hunger entsteht ein Gedicht, das er Birgit widmet, die sich zunehmend als Anker und Zuflucht in seinem von Zweifeln und Rückschlägen geprägten Leben erweist. Er sorgt sich um seine Mutter, der es zunehmend schlechter geht. Sie stirbt am 9. August 1980. Auch mit der Jazzgalerie läuft es nicht rund. Mitten im Zentrum der Drogenszene des Dorfes gelegen, wird sie regelmäßig von „Freaks“ besucht, ihr Ruf leidet. Es werden öffentliche Forderungen laut, die vom Drogenhandel und -konsum des Ortes betroffenen Jugendlokale zu schließen. Reinhardts Mitarbeiter zeigen sich wenig kooperativ und kündigen. Im Juli des Jahres 1981 unternimmt Reinhardt eine ausgedehnte Reise nach Holland, Belgien und Frankreich, auf der er Eindrücke aus Architektur, aus den Museen sammelt. Er schwelgt in den Gourmettempeln in den Paris – und übernachtet auf Campingplätzen, wo er sich auch mal ein Bauernfrühstück brutzelt. Zurück in Lebenstedt entschließt er sich, den Laden zu verkaufen – die Situation hat sich zunehmend zugespitzt.
Auf den Tagebuchseiten finden sich imer wieder mit Kommentaren versehene Figuren, wie sie später als Pötze sein Werk bevölkern. Im Januar 1982 erscheinen ohne weiteren Zusammenhang die Worte „Reinhardts Höh?!“ in seinen Aufzeichnungen – eine Eingebung des I Gings? Er äußert die Absicht, einen Meisterkurs zu belegen.
Im April ist er raus aus dem Laden, damit verbunden ist auch ein Wohnungsumzug – und eine erneute Gewichtszunahme. Mit der Kunst Geld zu verdienen, hat er offenbar aufgegeben: „Aus mir wird schon nichts werden außer Moneymaker, und das will ich anwenden bis zum Geht-nicht-mehr. (...) Ich bin ein Idiot, der sich einbildet, ein Genie zu sein.“ (Eintrag im April 1982, kurz nach dem Verkauf)


Die beste Art, das Böse zu bekämpfen, ist energischer Fortschritt im Guten.
Was aber ist das Gute? Und die Sprüche der Anarchos haben auch einen guten Kern. Werden aber nur zur Selbstentwicklung gebraucht, sprich Egotrip.
Gewalt zur rechten Zeit bringt Kurzweil + Zeitvertreib (Zeichnung)

Walter Reinhardt Tagebücher 1980Walter Reinhardt Tagebücher 1980Walter Reinhardt Tagebücher 1980


6.2.80Walter Reinhardt Tagebücher 1980
Synergetik – Verbung – genetischer Code – Evolution – Umwelteinfluß – Marxismus miteinander vergleichen und die Gedanken über die  Zukunft der Evolution.
„Idealismus" nicht im Kant-Hegelschen Sinne, sondern von den evolutionären Gedanken, der Situations-Simulation aus gesehen. Ebenso Betrachtung der Welt und Begreifen ihrer Inhalte ohne die „Hilfskonstruktion Gott“.

Gedichte in Form von Syllogismen, wobei mit Absicht eine Prämisse und die Konklusion falsch sind, um damit aufzuzeigen, was falsch an der Dialektik ist.
Induktion – Deduktion

9.2.80
Wie vereinbart sich die Evolutionstheorie mit dem Glauben, die Umwelt lasse sich zu den eigenen Gunsten verändern? Wahrscheinlichkeit – Pfeil der Zeit – Zukunft – Entropie – Evolution – genetischer Code?
Es erscheint mir eigentlich ganz logisch, dass ich mich, nachdem ich mich mit den
physiologischen Gegebenheiten auseinandergesetzt habe, wieder, und wahrscheinlich ergiebiger als früher, mit der Philosophie auseinandersetze. Ich komme eigentlich gar nicht darum herum, wenn ich den subjektivistischen Fehllösungen der Religion bzw. des Marxismus auf die Spur kommen will.
Aber es kommt mir ja nicht darauf an, zu widerlegen, sondern es kommt mir darauf an, zu einem höheren Weltverständnis zu kommen. Vielleicht einem wissenschaftlich  fundierten Nihilismus?

11.2.80
Nun ist der letzte Tag. Es hat sich gelohnt. Eine Menge Ideen und Praktisches fürs Haus: Blumenständer, Spiegel und Bilderrahmen aus Teak oder Mahagoni, ebenso aus Zinnblech. Einen Bilderrahmen auf Holz montieren und dem Mops schenken.

13.2.80
Gedanken bei Nulldiät

Nicht, dass ich Dich nicht liebe
aber wärst Du bei mir,
ich würde in Deine pfirsichgleichen Wangen
hineinbeißen wie in einen
prallen, saftigen Apfel.
Kein Schmerzensschrei
würde mich abhalten
die nur zarte Schatten werfenden
Rundungen unterhalb des
Schlüsselbeines
für Götterspeise zu halten
ich würde hinabtauchen
zu deinen Schenkeln
die nacktem Hummerfleisch gleichen,
Jakobsmuscheln in Champagnersauce
ein flüchtiges Leuchten Deiner
abgrundtiefen Augen verheißen mir Berge
geschmeidigen Kaviars.
Und Deine Zehen zerwinden sich
zu selbstgemachten Tagliatelli,
begossen mit der blutroten
Sauce Deiner Lippen.

Nicht dass ich Dich nicht liebte,
vier Wochen ohne Dich sind eine Qual .
Der Hunger aber hier, das ist die Hölle.

Glanz und Elend der Psychiatrie
Zum Beispiel Armin: zu viel Pillen und so weiter. Nur, weil er lebensuntüchtig ist.
Er hat Angst vor dem Tod, der Sinnlosigkeit seiner Existenz. Er kommt in eine Klinik und bekommt dort Pillen und man konditioniert ihn so, damit er wieder das tut, weshalb er krank ist – nämlich arbeiten.

Wenn ich in dieser Manier weiterarbeite, dann muss ich mir eine Formsammlung anlegen!

Ezra Pound – für mich noch lesbar – aber sonst?
Zerrissen sind wir selber, und seine Welt war eine andere.
Ein Fall für spätere Jahrhunderte. Er muss älter werden wie ein guter Burgunder oder Bordeaux, den er so schätzte.

Dieser verdammt teure Füller schreibt nicht.

14.2.80
Nun sitze ich in Bad Bertrich und mach mal Pause. Es ist ein kleines Örtchen mit mäßigem Kurbetrieb. Der Cioran wird mir immer unheimlicher, er denkt wie ich und schreibt fast so. Ich habe ähnliche Gedanken. Lese M. Webers „Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus“.

Es ist überhaupt schwierig, zu einer eigenständigen Kritik zu gelangen.
Obwohl – man braucht einfach nur die Zustände zu artikulieren, die einem missfallen, und schon hat man Kultur und Zivilisationskritik.
E. spricht m. E. nicht alles aus, er sublimiert es in Destruktion.

17.2.80Walter Reinhardt Tagebücher 1980
            Bardo
Jetzt        -       nein
Jetzt        -       nein
Endlich, das Herz steht still. Es schlägt nicht mehr.
Der Rest erledigt sich von selbst.
Eitler Wahn, sich um die Hinterlassenschaft zu kümmern.
Erwartest du gute Erinnerung, wo dein bitterer Spott – ihr täglich Brot – ihre kleidsamen Gesichter zu Wut oder Lachen befreite? Man lässt nicht beten angesichts der Endgültigkeit des Todes.

Noch schnell, bevor die Farben verschwinden – Florenz, Grünewald, Klee und Gaudi.
Deine Orgasmen kannst du später, im Urwirbel der Entstehung, zurückrufen, und ein letztes Mal Deine Zellen erschauern lassen.
Ich brauche vor keinem Frieden machen, ich war nie im Krieg mit dieser Welt.

Eine verkehrte Collage!
Aus einem Bild entweder ausschneiden wie bei vorhergehenden, und den Rest wie gehabt mit Farben ausfüllen.
Oder auch/und auch die Ausschnitte verwenden im ähnlichen Bild.
um herum ausgemalte Strukturen.

Gedichte mit Bildern komprimieren!
Brief an Gourmet mit Schüttelreimen!
Gedichte + Collagen!

Walter Reinhardt Tagebücher 1980Walter Reinhardt Tagebücher 1980

26.2.80

Durch die kranke Mutti denke ich natürlich oft an meinen eigenen Tod. Und es ängstigt mich mit Recht, dass ich bisher noch keine Lösung des Problems woher, wohin, warum, habe. Aber eigentlich ist es ganz klar, unser Körper ist mit Sensoren für dieses Leben ausgestattet wie ein Einzeller, und wir benötigen, um einer Lösung dieses Problems näher zu kommen, nicht die Multiplikation, sondern die Modifikation unserer Sinnesorgane.

 

Walter Reinhardt Tagebücher 1980

Walter Reinhardt Tagebücher 1980

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4.5.80
Eine ganze Menge Zeit dahingegangen. Mutti geht es sehr schlecht und ich habe  Sorgen, wie ich sie pflegen lassen kann. Ich weiß nicht ein noch aus. Es ist eine ganz schöne große Scheiße. Vor allem dieses Gefühl, zu nichts mehr nutz zu sein, und dann abgelegt. Sie hat für mich so viel getan, dass ich in Ihrer Schuld stehe!
Und das Haus! Ich werde noch verrückt!!!! Am nächsten Mittwoch kommt sie aus dem Krankenhaus, und dann muss ich mich darum kümmern. Wenn ich den Mops nicht hätte, dann wäre ich verloren.
Die Lilo, den Ernst habe ich erst mal aus der Scheiße raus. Das hätte ich mir auch nicht träumen lassen. Keine Familie, keine Kinder, und doch alles am Hals wie gehabt. Ich weiß sowieso nicht, wie es weitergehen soll. Ich muss irgendwo hin und mein müdes Haupt hinlegen können.
Robert Tatin, der hat es geschafft, und doch irgend so etwas Ähnliches muss mir doch gelingen.

Auch der Ärger mit den Freaks geht mir auf den Geist. Man will mich unbedingt kaputt machen, und was habe ich getan?
Es geht eigentlich um Toleranz. Ist sie nicht lebensbedrohlich?
Oder wenn man zu viel Verständnis für seine Umwelt hat, ist das nicht ähnlich einer Selbstaufgabe? Ich  bin mir da nicht sicher. Solange man das Problem nicht gemeinsam lösen kann, soll man alles beim Alten lassen. Ich finde dass alles eigentlich scheiße.

8.5.80Walter Reinhardt Tagebücher 1980
Apropos Musik. Ich muss die ganzen Musik-One-Platten, die ganzen Stücke, die ich kann, auf Band aufnehmen. Darauf achten, dass die Stimmung stimmt, dann bekomme ich mehr Erfahrung, vor allem auch verschiedene Tempi und nacheinander abspielen. Die Harmonien und den Text in Bücher einschreiben und jeden Tag spielen. Methode wie Joe Pass, der spielt jeden Tag!
Aber die technischen Schwierigkeiten. Die Möglichkeiten habe ich ja!

15.8.80
Eigentlich wäre es gar nicht so schwer, etwas zu machen. Aber der Laden frisst mich auf. Ich muss mich vorsehen, einfach anfangen. In München habe ich trotz Job mehr gemacht als hier.
 
Mutti hat fürchterliche Schmerzen. Ich wollte, es wäre vorbei.
Wie es danach weitergehen soll, weiß ich nicht, denn eigentlich hält mich hier in Lebenstedt nichts mehr.
up up and away

Collagen mit losen, ausgeschnittenen Bildtexten und dann fotografieren,
am besten mit Canon und davon wieder Siebdrucke o. ähnliches

4.6.80
Ich glaube, einer der Gründe für die Misere der Jugend ist der fehlende Bezugspunkt. In meiner Jugend gab es noch etwas zu erreichen: sozialer Aufstieg o. Ä. Es gab Grundwahrheiten, einen Gott. Gott ist im Überfluss erstickt, und im Zeitalter multilateraler Beziehungen fehlt selbst versierten Leuten der Durchblick.

10.6.80
Es fehlt ganz einfach eine Motivierung zur Leistung, es muss regelmäßig und von hoher Qualität gearbeitet werden. Mir geht der krankhafte Vorzeigewahn ab, mich immer und immer wieder zu produzieren. Na ja, ich muss mich motivieren.
Auf der anderen Seite unterliegen diese Leute einem Stress, der immer wieder zum Exitus führt.
Irgendwie ersticke ich auch an Überinformation. Jede Information verhindert den Standpunkt, und ein fester Standpunkt ist konservativ. Was haben es doch die Einfältigen leicht. Für sie lässt sich alles addieren, und irgendwann kommt der Punkt, wo Ihr beschränktes Hirn sagt: „Halt“. Und dann verweigern sie jede Mitarbeit.
Das Konzept muss simpel und durchschaubar sein. Dann begreifen es die Idioten. Von anderen Rechnungsarten haben die Schwachsinnigen nie was gehört.

7.8.80Walter Reinhardt Tagebücher 1980
Mit Mutti geht es rapide bergab.
Ich habe Aufnahmen gemacht, es sind erschütternde Dokumente. Ich sehe so etwas zum ersten Mal, es ist schlimm. Gestern sagt sie zu mir: „Sind Sie der Walter?“ Sie erkennt mich die meiste Zeit nicht.

9.8.80
Mutti ist tot.
Heute ist sie um 13.Uhr  gestorben.
Der Tod ist ein fremder Weggesell!
Auch dieses starke Herz hört auf zu schlagen.
Ein fremdes Gesicht, im Leben so vertraut. Die ausgestreckte Hand erhoben, als Zeichen ohne Gegenwehr, dem Tod entgegen. Den Gnadenstreich zu empfangen.

Ich bin traurig.
Nun ist sie tot. Und ich fragte sie, wie ist es dort?
Es kam keine Antwort, sie war fort. Ein fremdes Gesicht, geschundener Leib.
Ich liebte sie, und ich glaube, ich kann nur dichten und malen, wenn ich stark bewegt bin!


20.8.80´Walter Reinhardt Tagebücher 1980
Jetzt ist Mutti schon 12 Tage tot.
Es kommen immer noch Beileidskarten.
Wenn die Danksagungen raus sind, dann kommt alles in eine Mappe und dann bekommt es der Ernst und dann Lilo. Das übrige Geld kommt auf den Bausparvertrag, und das  brauche ich zum Umbau!

15.9.80
Am Freitag habe ich Petra und Thomas gesagt, dass sie einen Tag abgeben müssen. Jetzt hab ich's, Petra hört sofort auf und wahrscheinlich Thomas. Na und?




17. oder 18.9.80
Kein Thema, sondern ein Problem. Das Problem ist, wenn ich jemandem hier sage, „man muss ein Problem haben, und kein Thema“, dann schauen sie einen blöde an und verpissen sich, weil sie mit solch einem Spruch nichts anzufangen wissen. Es ist zum Kotzen. Sie können sich auch nicht aufraffen, sondern nur noch brabbelnd in der Ecke sitzen und vor sich hin resignieren. Wenn man einen Sinn im Leben finden will, dann muss man etwas dafür tun! ´Walter Reinhardt Tagebücher 1980

20.9.80
Dasselbe Ornament, aber feiner
Und die Collagen einkleben, und zwar total sinnlose, Stuhl etc.
Ornament + Collagen! Hand, Gesicht etc. mit Handzeichnung

22.9.80
In der Salzgitter Zeitung steht heute die bisher inoffiziell gehandhabte Meinung, dass die beiden Jugendlokale geschlossen werden sollten, damit wäre das ganze Problem im Dorf gelöst. Im Prinzip haben sie recht, aber so einfach werden sie es diesmal nicht haben, denn ich lasse mich nicht so einfach vertreiben. Ich habe beschlossen, um meine Existenz zu kämpfen!

22.10.80
Der Tod ist die Annullierung der Arroganz.

Tastsinn: Der Bandarbeiter ist schon zufrieden, wenn er abends sein Kaninchen streicheln kann, als Stimulierung seines Tastsinnes.
Ignorante Aggression.


30.1.81´Walter Reinhardt Tagebücher 1981
Zeichnungen: Ein Selbstsicherer im Gehäuse / The brain loosing fellow / Beginn der Möbius-Drehe

In der Ausweglosigkeit einer Situation muss sich eine Emotion explodieren.
Die leichte Hand in fragiler Kameraeinstellung führt zum exponierenden Wahnsinn.
Auch die Schwalben können ein heiteres Lächeln nicht unterdrücken.
Und in der fragwürdigsten Aussage steckt ein hoher Wahrheitsgehalt.
Wünsche nach Maß müssen in Erfüllung gehen, wenn man nur richtig an sie glaubt.











11.4.81Walter Reinhardt Tagebücher 1980
The Tantra of togetherness

Ich suche die sanftmütige Entsprechung meines Wesens in der Einheitlichkeit
der Aussagen (...)
Ich will mich in Abglanz Deiner gehauchten Zustimmung der Gewalt befleißigen
und im hintersten Winkel dieser rosaroten Behausung einen blassen Farbtupfer auftragen.
Lebewohl, und glaube nicht, dass die engwinkligen Griffe verhindern, dass ewige Zuneigung Dir sicher ist.











13.4.81Walter Reinhardt Tagebücher 1980
Ein gnädiger Moment, erhascht im Flug einer rosigen Entenbrust
Küssen möchte ich die rosigen Flechten und dafür mein Herz als Pfand geben.

















17.4.81Walter Reinhardt Tagebücher 1981
Eigentlich möchte ich auf nichts verzichten, am besten im Lotto gewinnen und ab in die Karibik.

19.4.81
Ich möchte einen positiven Einfluss auf meine Umgebung haben!

20.4.81
Es ist für mich eine qualvolle Erfahrung, zu warten, bis etwas reif ist. Man weiß nie, vor allem bei geistigen Dingen, aber auch in der Liebe, wenn der Reifegrad erreicht ist und man die Frucht der jahrelangen Vorarbeit ernten kann. Eine unreife Frucht ist kein gut Ding zu nehmen.
Aber der Verzicht ist noch schlimmer. Ich sehe mein Leben im sinnlosen Kampf mit dem Kommerz sich verzetteln. Vergeblich, aber was ist Vollendung? (Hokusai)

Ich sehe in den Morden an Missliebigen und in den politischen Morden jüngster Zeit keinen Unterschied. In beiden Staaten hätte ich keine Chance. Mein Wunsch wäre es, den Unterlegenen dieser Welt beizuwohnen, wenn einer nach dem anderen fällt, möchte ich mit einem Glas Champagner dabei sein. Und wenn keiner mehr da ist, mit schallendem Gelächter in den Tod gehen. Zum Spott braucht man Publikum, beim Gelächter über das Ende dieser Idioten werde ich mein Gelächter als Leichentuch ausbreiten, und mein letzter Wunsch: möge das Universum nie wieder so etwas Ähnliches gebären.

eine verdrehte Situation zu dritt (Zeichnung)

24.4.81Walter Reinhardt Tagebücher 1981
Die Nymphe des Wahnsinns auf dem Wege zu Ihrem Bruder Rausch (Zeichnung)


















Walter Reinhardt Tagebücher 1981



















2.5.81
Ein Gehege ist keinem gelegen.
Und ein Gelege ist nur anfangs ein Heim.
Ein Heim ist, wo man sich wohlfühlt. Und ich fühle mich hier daheim, und ist sehr wichtig, weil ursprüngliche Zuneigung verjüngt!

8.5.81
Der Kommunismus ist eine Lüge, bei der es weder genügend zu fressen gibt noch etwas zum Lachen.

9.5.81
Was geschieht, wenn ein beinloser angebundener Drache die Leistungsbarriere überspringen muss? (Zeichnung)
Walter Reinhardt Tagebücher 1981
29.5.81
Es ist, als ob ein Donnerschlag mir das Herz entzweit und die toten Zellen der Vermehrung ihr sinnloses Dasein in der Gosse beenden.
Flüchtig sehe ich die Hoffnung fern am Horizont, nur flüchtig. Hoffnung im Leib eines Knabens oder Mädchens.
Ihre Leibesfülle ist noch voll Hoffnung. Illusion, Tod, Ende, der Sinnlosigkeit dieses Daseins entfliehen.
Nur wenn Lippen auf meinem Mund brennen, ist keine Frage auf meiner Stirn.

Mit jeder Amplitude will man noch höher und ebbt aus im Tal ...
Ein letztes Zittern und dann Stille, Nullpunkt.
Danach kommt wieder der Kampf.
Wieso dieses?
Warum immer wieder.
Es ist so  – keine Antwort!

13.6.81
Langsam geht es vorwärts, und ich fürchte ein gutes Ende.
Ein Lottogewinn in Ehren kann einem die Geliebte nicht nehmen

Diese Bilder in Spanplatte
aussägen+ dann ohne Rahmen

Kriecht man unters Dach, wird am Ende alles schwach (Zeichnung)

20.6.81
Mit dem Dorffest geht es weiter. Sigi macht nichts, mal sehen.

Ich werde noch manchesmal zurückdenken an die sorglose Zeit.
Dem Sog des Todes entgangen.

Walter Reinhardt entschließt sich, allein eine Reise nach Holland, Belgien und Frankreich zu unternehmen.Sie führt ihn über Neviges, Ronchamp, Köln, Eindhoven, s'Hertogenbosch, Tillburg, Breda, Amsterdam, Leiden, Den Haag, Zevenhuisen, Antwerpen, Utrecht, Paris und zurück über Köln und München. Er besucht Museen und architektonisch bemerkenswerte Gebäude und fotografiert sehr viel, genießt in Paris die Haute cuisine. Von dem Gesehenen lässt er sich inspirieren - immer wieder gehen ihm auch Gedanken durch den Kopf, die seine Situation in Salzgitter betreffen, er entwickelt auch Ideen für die Gestaltung der Räumlichkeiten in de Galerie.

15.7.81
Nun habe ich, was ich wollte, einen Urlaub alleine.
Und eigentlich sollte B. mitfahren, und später hatte sich in mir die unsinnige Hoffnung genährt, G. mitzunehmen – alles eine schöne Illusion. Es ist alles eine schöne Illusion, sogar das Leben.
Auf jeden Fall ist es bis jetzt schön. Doch irgendetwas quält mich.

16.7.81
Heute war ich in Neviges, um mir die Wallfahrtskirche anzusehen. Zu Anfang ein nettes Mädchen getroffen. So'n Typ wie Birgit, nur nicht ganz so empfindlich ... ist viel robuster und daher …

Neviges – Ronchamp. Santa Coloma. Jetzt verstehe ich auch das Trauma, das die Gotik den Architekten zugefügt hat.
Merkwürdig – Gaudi, Le Corbusier, G. Böhm, P. Behrens, jeder hat dieses Problem auf seine Weise gelöst. Warum soll ich nicht meins auch lösen.
Gaudi hat das Problem der Gotik durch eine neue Statik gelöst, blieb aber im Material konservativ. Die Statik aber ist revolutionär.
Le Corbusier?
Böhm hat einfach Lichtlinien gezeichnet, die alle zur Spitze zeigen. Die Fenster sind dieser Idee untergeordnet. Sie besitzen keine öffnende, sondern eine zielgerichtete
Linienfunktion. Die Fenster sind schön.

17.7.81
Nachmittags losgefahren in Richtung Köln, bei Saturn gewesen, dann am Aachener Weiher übernachtet und nach dem Besuch des Ostasiatischen Museums zur Westkunst gefahren. Im Ostasiatischen Museum wieder Mut bekommen zum Malen.
Die Westkunst hat mich bestärkt.
Die Verpackung im japanischen Leben hat der von Europa die Handarbeit voraus. Trinkgeld Verpackung! Origami!
Die freien Räume in der Galerie gestalten!

18.7.81
Gestern, bevor ich in die Westkunst ging, hatte ich einen kombinierten Husten-Erkältungsanfall. Mir ist richtig schlecht geworden und ich war erstaunt, als ich heute noch mal auf der Ausstellung war, wie viel ich aufgenommen hatte. Von Fritz Winter die Triebkräfte der Erde. Sie sind heute nicht mehr so stark wie damals, aber stark genug, um dies Gefühl der Erinnerung in mir wachzurütteln, das mich damals so stark beeinflusste.
Von Köln nach Eindhoven gefahren. Becher-Ausstellung von Industriefotografien.
Sind sehr schön und sehr ermüdend. Sonst war das von Abbe-Museum nichts Besonderes. Naja, nach der Westkunst – was kann einen da noch aufregen? Die Stadt – modern und – naja – ein bisschen kalt. S'Hertogenbosch war da schon besser. Vor allem die Kirche und das Bosch-Denkmal.
In Eindhoven standen ein paar moderne Skulpturen vor einem modernem Gebäude, da dachte ich, es wäre das Museum – Pustekuchen, es war das Rathaus – das wär mir in
Deutschland nicht passiert.
Zugleich eine Anregung für Salzgitter! Überhaupt kein einziger Brunnen!
Bernd Schlender.

20.7.81
Heute von S'Hertogenbosch nach Tilburg. Alle Kirchen waren geschlossen. Habe wahrscheinlich nichts versäumt. Im Rathaus eine schöne Glasskulptur. Gutes Kunsthandwerk, dann in der Stadt etwas besorgt und das wars. Gute Postkarten gefunden. Muss noch mehr kaufen!
Ich fresse zu viel, habe mir heute ein Bauernfrühstück gemacht, das war für zwei. Es hat mir ausgezeichnet geschmeckt, aber die Hälfte davon hätte mich knüppeldicke satt gemacht. Ich muss in Zukunft darauf achten.

20.7.81
Heute hat es am Morgen angefangen zu regnen, und ich wäre besser in Tilburg geblieben. Aber ich bin gegen 12.00 nach Breda gefahren und war um 12.45 Uhr dort.
Breda hat mir bis jetzt am besten gefallen. In Tilburg habe ich schon eine heiße Hündin gerochen, aber in Breda habe ich zugeschlagen. Ein Weingeschäft mit Inhaber war ganz nach meinem Geschmack. Da habe ich dann Käse+ Wein für 74,- Hfl gekauft. Bier ist eine gute Sache, aber es fällt mir schwer, schwerer als vor 5 Jahren, auf Wein zu verzichten.
Dann habe ich mir ein gutes Bauernfrühstück gemacht. Sehr gut. War aber noch nicht ganz satt. Da kamen der Käse und der Wein gerade recht. Außerdem hatte ich heute Abend Herzschmerzen.
Habe 2 Aspirin mit genommen, verdünnt das Blut. Hoffe, dass es weggeht. Vielleicht ist es auch der Stress des Autofahrens und mit den beiden Zähnen!!! Das regt mich sowieso auf. Ich möchte auf nichts verzichten. Dem einen wird’s sich leicht. Dem anderen läuft der Speichel.

Heute Morgen, Dienstag, 21.7.81, über den Tod, den Sinn des  Lebens, des Zusammenlebens nachgedacht.
Um Gedanken auf Papier zu bringen, muss man sich sammeln. Ich bin zu Hause so unrelaxed, dass ich immer alles sehr schnell schreibe, damit ich nichts vergesse. Dabei ist das alles nur eine Sache der Konzentration. Es hat heute geregnet, es passiert mir selten, dass ich bei Sonnenschein über den Tod nachdenke, bei trübem, regnerischen Wetter ist die Wahrscheinlichkeit größer.

Warum soll man im Angesicht des Todes eigentlich Kompromisse schließen? Warum soll ich nicht das, was ich kann, was meine eigentliche Ausdrucksform ist, nicht konsequent verfolgen. Diese ganze Schaffe mit akademisch Malen hab ich ja hinter mich gebracht. Wenn man seinen eigenen Weg gefunden hat, soll man ihn auch beschreiten, das ist ja das bisschen Freiheit, dass einem der genetische Code lässt.
Entweder man steht zur Macht und holt sich von daher die Freiheit, oder man sucht seinen eigenen Weg und beschreitet ihn, oder man wird Untertan.
Das Zusammentreffen mit jemandem ist ja auch dieser Kompromiss.

Es ist Mittwoch nach dem 22.7.81.
Es ist ganz schön schwierig, ohne Rhythmus die Kurve zu kriegen. Die Freaks und ich meinten früher, ohne Uhr, ohne Zeit, ohne Ende.
Illusionen.
Natürlich geht es ohne. Aber die Annehmlichkeiten der Zivilisation haben ihren Preis. Und den werden sie früher oder später bezahlen. Ich muss dass alles nicht so eng sehen.

Donnerstag, 23.7.81
Heute den ersten Tag relaxed. Um 10.00 aufgestanden und Getriebeöl nachsehen lassen. Um 1.00 ins Zentrum mit dem Fahrrad. Herrlich. Es macht  richtig Spaß. Abends am Rembrandsplein wollte so etwas rumstreunen – und was sehe ich? Filmtheater „Tuschinski“. Ich dachte, mich trifft der Schlag. Jugendstil, Amsterdamer Schule und alles erhalten. Innen wie außen. Ich nix wie rein und angeschaut, und dann gefragt, ob ich fotografieren darf? Nein. Ich blieb hartnäckig. Da verwies man mich zum Direktor Hubert. Wahrscheinlich ein Jude. Der wollte nicht. Aber nachdem ich ihm einen Vortrag über Jugendstil gehalten habe, habe ich ihn überzeugt. Morgen darf ich eine halbe Stunde fotografieren und dann noch drauf. Das wird ein Fest. Da mache ich die Börse auch noch!

Samstag, den 26.7.81
Ich habe also im Theater drei Filme verschossen und in der Börse den vierten fertig gemacht, den fünften im Schepperthuis. Noch mehr Art Deco als das Theater.
Die Börse kann man nur als ganz speziellen Jugendstil bezeichnen. Ich habe ganz  schön gearbeitet … war auch im Tropen-Museum. Naja, das Übersee- Museum bietet dasselbe. Die Ausstellung als solches war allerdings sehr interessant.

Sonntag, den 27.7.81
Heute ist das Wetter wieder besser. Gestern Abend ein sehr wohlschmeckendes Pestovon vorgestern warm gemacht. Jetzt werde ich das Schepperthuis aufnehmen und anschließend ins Stedelijk- und Rijksmuseum gehen und abends je nach Wetterlage mich ins Nightlife stürzen oder zu Hause bleiben.

Dienstag, 28.7.81Walter Reinhardt Tagebücher 1981
Ich bin am Montag abgefahren und habe mich folgerichtig nicht ins Nachtleben gestürzt. Ich habe noch das Schepperthuis von innen und außen aufgenommen.
Dann bin ich in Richtung Leiden. Dort war alles noch beim Alten. Die riesige Buchhandlung habe ich wieder betreten und nichts gekauft. Was sollte ich noch kaufen?
Heute bin ich nach Den Haag habe dort das Esso-Gebäude und den Bijenkorf aufgenommen. Beides Amsterdamer Schule.
In der Stadt habe ich eine exotische Schönheit gesehen. Wenn sie gewollt hätte, ich wäre schwach geworden. Aber sie war einfach nur, eben nicht käuflich … und mittlerweile habe ich es zu einem derart verkorksten Aussehen gebracht, dass ich, auch wenn ich abnähme, schwerlich meine alte Attraktivität zurückgewinnen würde.
In Den Haag keinen Camping bekommen und nach Zevenhuisen gefahren.

Außerdem war ich in Den Haag im Gemeente-Museum. Einen späteren funktionalistischen Bau von Berlage. Der Bau an sich sehr großzügig, fast zu großzügig, und innen eine unglaubliche Menge früher Mondrians. Rozenburg Porzellan und Jan Toorop, auch sonst sehr viel Zeug, dass ich nicht so richtig zur Kenntnis nahm, weil Mondrians Weg zur Abstraktion meinem ähnlich ist, oder ich muss es nur transformieren.

Mittwoch, 29.7.81
Jetzt sind es genau zehn Tage. Die fünf Tage Museen sind Arbeit.
Ich bin natürlich nicht in Zevenhuizen geblieben. Weil das Wetter nicht so schön war und überhaupt.
Zevenhuizen hat mir sehr gefallen. Zum Ausspannen ideal. Wasser fischig und sehr ruhig, der Platz sehr relaxed.
Ich war noch mal in Den Haag und habe Dias gekauft und Karten. Die Fliesenwand von Karel Appel aufgenommen und dann in Richtung Antwerpen. Morgen Antwerpen und nach Gent – Brügge – Bruxelles – Paris – Auxerre– Chablis – Reims – Epernay – Ay München, Lebenstedt und über Flucht nachdenken. Ich könnte so wie jetzt evtl. mit einem größeren Wagen lange vielleicht jahrelang unterwegs sein. Aber woher die  Kohle? Zigeunern ist ganz lustig, wenn die Kohle stimmt!

Donnerstag, 30.7.81
Gestern auf den Weg nach Belgien erst im Gemeente Museum Dias gekauft. An der Grenze habe ich meinen Ausweis gesucht und nicht mehr gefunden. Dann habe ich mich wieder erinnert. In etwas größere Halstasche gebunden und nicht kontrolliert. Aber ich brauche sie ja noch für Frankreich.

Freitag, 31.7.81
Bin nur einen Tag in Antwerpen gewesen. Habe mir Abends die Innenstadt  angeschaut. Ein gigantischer Bahnhof, auch die Kathedrale. Am anderen Tag in Middelheim gewesen und anschließend nach Giverny durchgefahren. Giverny war zauberhaft.
Der Nolde braucht sich aber nicht zu schämen. Birgit müde, hatte den ganzen Tag Kopfschmerzen.

(Zeichnung) Yeah, yeah, ich habe ja immer gewusst, aus Dir wird nochmal was! Was?

Samstag 1.8.81   
Ich muss auch immer an Mutti denken. In diesem Zusammenhang möchte ich auch mal den Pastor Schaper zum Essen einladen.
Überhaupt, wenn ich nach Hause komme, dann muss ich die Galerie renovieren und mit Kunst ausstatten. Nach Möglichkeit um 2 Uhr aufmachen und jemand finden, der es bis 7 Uhr macht. Ich muss den Laden besser organisieren. Dann muss ich das Exposé bei Frühner vorlegen. Und so gibt es zu tun bis ans Lebensende. Den Campingplatz (...) muss ich im Auge behalten. Erst mal als Freizeitpark ausgeben.

Aus Utrecht
Collage aus Katalogen, Schnipsel-Collagen
Collage!
MetalldurchdrückPlastik und verbinden der Stabilität wegen, ausgießen mit Gips
Gipsabdruck von der Hand - negativ positiv
Aufnahmen von Frauen!

Kotflügel oder andere Formteile aus Plastik bemalen und im Interieur einbauen.
Bizarre Holzskulpturen!
Lampen aus Kupferrohr und Konservendosen verlötet.
Skulpturen und Lampen in der Art vom Pevsner, die Drähte an der Spitze verlöten ……und die Drähte mit Tauchlack! Fächertisch

Auf ein Brett malen, dieses mit Leisten versehen – schwarz rot usw.    

Nun bin ich doch eine ganze Zeitlang clean und versuche den Unterschied zwischen Shit und Alkohol festzustellen: Der Alkohol bringt dich nicht so weit raus, er ist mehr diesseitsbezogen. Ist er das?
Ich glaube, es hängt auch davon ab, wes Geistes Kind man ist. Ist was drinnen, dann wird man immer etwas erwarten können. Ist nichts drinnen, kommt nichts raus. Das ist das Problem der jungen Leute. Es ist nichts oder sehr wenig drin und es kommt nur Dürftiges heraus.

2.8.81 Sonntag
Heute früh aufgestanden und  Museen Marmottan + Victor Hugo, Carnavalet angeschaut
Abends zwei Kalbsschnitzel gefressen + Spätzle mit Sauce Napolitaine.
Komme was wolle, morgen gehe ich im Fauchon frühstücken und Mittag essen im Le Duc ... Das nächste Mal werde ich mehr Geld mitnehmen und dann werde ich der Legende ein Ende bereiten, dass man nur 1x die Woche Grande Cuisine essen kann. Ich könnte es jeden Tag, wenn ich das Geld dazu hätte.

2.,3.,4.,5.,6.- 8.81
Mal genau überlegen: am Samstag nicht mehr in die Stadt gegangen, am Sonntag im Marmottan + Carnevalet-Restaurant ein Pied de Cochon.
Am Montag vergeblich im Delacroix + Bourdelle, mittags Pasteten bei (...) gegessen.
Dienstag Le Duc + Montparnasse + Bourdelle. Mittwoch Pasteten von Fauchon + Guérard + Hédiard. Geschmacklich am besten waren die vom Guérard. Alle anderen waren zu salzig?

Donnerstag in die Stadt rein: Gustav Moreau + Fouchon + Guérard. Für den Rest Geld eine kleine Art-Deco-Vase geholt.
Am Mittwoch im Louvre des Antiquaires. Ich  könnte Tausende von Mark ausgeben.
Gustav Moreau, der Einzigartige. Wenn ich hier in die Nähe komme nach Paris, dann muss ich ins Moreau ...
Ich lach mich kaputt, aber ich bin auf dem richtigen Weg. Ich habe schon  immer einen Blick für Marktlücken gehabt. Meine Malerei hat eine Nische ganz für sich alleine! Ich muss das dem Gunther (Fritz) + dem Titl (Jung) irgendwie klarmachen, ich möchte sie nicht verlieren. Man muss sich viel ansehen, um sich von seiner Einmaligkeit zu überzeugen!

Diese fertigen Holzkästen für Bauernmalerei in meiner Art ausmalen+ lackieren (Skizze)
Plan für Bar: ein Tisch mit Porzellansplittern o. Holz bzw. Glassplittern bekleben, ebenso mit Lampen: Lampen mit Fenster aus Achat.

Samstag, den 7. oder 8.8.81?
Am Freitag von Paris nach Köln gefahren und dort übernachtet.
Dabei hatte ich noch 78,- DM. Nach Kleinigkeiten hatte ich noch ¾ Tank und 58,50.
50 Mark vertankt + 1,50 für eine Cola.
Ich musste unterwegs dreimal. Nach München anhalten, um auszuruhen, sonst wäre ich eingepennt.  Mit dem letzten Tropfen Benzin +7,- DM in bar habe ich München erreicht, dabei musste ich noch den Reservekanister einfüllen.
Vorher in Köln die Rauschgift-Ausstellung angeschaut, sehr interessant, den Katalog muss ich mir nachschicken lassen. 48,- DM, sonst wäre ich noch nicht mal nach Hause gekommen. Jetzt bleibe ich noch bis Dienstag in München und abends kann ich in Ruhe bis Freitag meine Bücher machen und mich nach einer neuen Mannschaft umsehen.
Als Fazit dieser Reise: Mir geht es nicht schlecht, mit Campingplatz würde es mir besser gehen. Also darauf hinarbeiten.
Die großen Vermögen werden nur durch harten persönlichen Einsatz geschaffen, warum sollte mir das nicht gelingen?

13.8.81 und 14.8.81
retour

16.8.81 Sonntag
So langsam kommt wieder alles ins Lot, und der Alltagsstress tut wieder ganz gut .
Langsam komme ich zu der Auffassung, dass meines Bleibens in Lebenstedt nicht länger ist. Entweder Großstadt oder Campingplatz oder angestellt. Aber hier ist es ganz
schön schlimm.
Image removed.
29.8.81
(Zeichnung, aus der später ein großes Bild entstand) Potzblitz bleib ganz oder verschwind – der alle sieben Kotz macht noch den alten Rotz

20.8.81
(zu Skizze) Sechskantschrauben
eindrehender Sogbrecher, ins Herz gebohrt und erlegen

21.8.81
(Buntstiftzeichnung) Le front comme un drapeau perdu

21.8.81
I am very depressive today.
Es geht nicht weiter, es steht etwas in der Luft. Ich weiß nicht wohin, mit dem Laden geht’s recht schlecht und ... nun weiß ich nicht, verkaufen an wen? Am liebsten würde ich im Lotto gewinnen und ausbüchsen. Alles sehr traurig. Alles sehr depressiv. Skizze 

am 23.8.81 ein Gesicht gemalt + Birgit geschenkt

(Zeichnung Hund) ein Hund macht Scheiße wie ein Mensch! Warum ist der Mensch besser?
Walter Reinhardt Tagebücher 1981
immer noch 14.9.81
Gedanken zum Schreiben.
Warum muss man so schreiben, wie es seine eigenen Vor- und Leitbilder wollen. Es gelingt mir auch nichts, außer ein paar Plagiaten. Die freien Gedichte waren ein Anfang, aber das ist mir alles zu belehrend. Ich will Erkenntnis hervorrufen durch das Mittel des einfachen Benutzens der Trivialsprache und deren Mittel.













Walter Reinhardt Tagebücher 1981

23.9.81
Es hilft ja alles nichts, ich zersplittere mich immer. Ich kann machen, was ich will. Ein guter Anfang und ein rasches Ende. Eine Chaosbeseitigung nach der anderen. Und das Schlimme ist, langsam werde ich auch an meiner Lebensform irre. Ich weiß bald nicht mehr, wo es längs geht. Die Jahre verrinnen und ich komme zu nichts. Die Galerie bringt auch nicht das, was ich mir einbilde. Na gut, essen und trinken habe ich noch. Aber es geht im Augenblick so zähflüssig, dass ich es schwierig finde dazubleiben. Wenn ich den Mops nicht hätte, dann wäre ich ganz aufgeschmissen.
Ich muss mein Testament machen. Wenn se mich verschleppen, dann werde ich nichts verschreiben.

8.10.81
Wenn im Halse sitzt der Klops
Jetzt ist es soweit – is was los!
                             is was los!




Walter Reinhardt Tagebücher 1981
11.10.81
Jetzt, wo ich alle Ausdrucksmöglichkeiten draufhabe, komme ich nicht so recht weiter, weil ich keine Zeit habe und auch so abgeschlafft bin, aber ich muss jetzt an meine Schularbeiten und habe keine rechte + linke Lust – sehr lästig.
Aber ich weiß nicht, ob ich mich wohlfühlen würde, wenn ich nur male und Musik mache.

12.10.81
Das Wettrüsten der USA + UDSSR kommt mir vor wie ein gigantischer Potlatsch: Jeder versucht den anderen zu überbieten! Potlatsch!

 4.11.81
Ich möchte gerne etwas, was andere noch nicht hatten, und der Besitz von Großem ist mit Lust verbunden.

6.11.81
Haus eingefahren!
Wahrscheinlich kann der Laden nicht verkauft werden.

ein hoffnungsvoller Koch mit Solferino im Hirn, Vermicelli-Augen und Spinatbäckchen (Zeichnung)

Rette mich wer kann! (Zeichnung)

12.11.81
Heute Termin mit Rechtsanwalt Ostermeier.
Birgit ist sauer, mit Recht, ich bin ziemlich unglücklich über die ganze Entwicklung. Ich habe sie sehr lieb.
Walter Reinhardt Tagebücher 1981
22.11.81
Die ganze Woche gefressen wie ein Tier, ich nehme immer noch zu. Dabei will ich  abnehmen. 30 kg = 60 Pfund.10 Wochen lang Null- bzw. 900-Kalorien-Diät. Aber ich muss das schaffen. 70-68 kg = 75-78kg. Dann bin ich krank, aber glücklich und lebe noch. Zwei Jahre zum Wohlleben.

23.11.81
Werde wahrscheinlich nun verkaufen. Bin traurig wegen des Geschäfts.
Mir geht das an die Nieren.

4.12.81
Am liebsten würde ich es mit der Malerei probieren, ich habe ja ein Jahr Zeit, und dann weitersehen (...)

7.12.81
Cäsar-Zäsur (Zeichnung)
Drückt dir Wind auf‘s Ofenrohr
gibt’s im Topf ein groß Geschmor.
Drückt der Wind sich längs der Ziegeln
warm kommt hoch der Dunst vom Bügeln.
Bügeln ist der Frauen Lust
ich habe es immer schon gewusst.
Und keiner sieht den rechten Sinn
in den blöden Sprüchen drin.

9.12.81
Denken kann ja
jedes Viech, das Sprechen nur der Mund
und so geht’s dem Ende zu,
erst das Geschäft und dann du.
Zeichnung

10.12.81
(Zeichnung) "Erbsensuppenraketenmops"

(Zeichnung) "2x Knast da weisste was de hast"

16.12.81
(Zeichnung) "Flieg und schüttle Dich vor Angst!"

17.12.81
(Zeichnung) "Janus schaut nach vorn und hinten"
Vergangenheit + Gegenwart. Kann manchen Ausweg einfach finden, ist im leben immer smart.

5.1.82
Eingeklebte TV-Programmvorschau zur Dokumentation des Schauspiels "Alkestis"  am Düsseldorfer Schauspielhaus, eine Neubearbeitung des Dramas von Euripides von Robert Ciullis und Helmut Schäfer, in dem "statt des Chors ein Conférencier durch die verrottete Gesellschaft führt, aus der einzig und rein Alkestis herausragt" (unterstrichen).
 
Klassische Stücke verfremden und am Wochenende im kleinen Saal o. Loft vorführen „oder zu dem Beiaspiel“ Lehrstücke

6.12.81
Heute im Sprengel gewesen und mit mir über meinen Einfallsreichtum und mit meiner Motivationslosigkeit gehadert.
Einfallsreichtum + Motivation = Oblomow.

10.1.82
Die erste Rate ist angekommen bei der Stadt, und jetzt muss ich ran. So langsam geht mir die Luft aus. Am liebsten würde ich eine Stunde dem Tod entgegen malen + spielen

REINHARDT’S HÖHE

28.1.82
Der Unterschied zwischen Cäsar + Catilina: Cäsar wollte Macht, Catilina wollte sein Vergnügen.

8.2.82
Der Teufel + der Knast + der Suff  + die Sucht soll ihn holen (Skizzen)

15.2.82
So langsam wird’s dringend. Ich muss jetzt in Schweiß kommen. Wohnung und dann Meister + evtl. Lehrer o. selbstständig. Naja, wenn alles klappt, dann hat es sich wenigstens gelohnt! ......
ÜZH, WEVG ummelden usw. und dann Urlaub, Meisterkurs und dann werden wir sehen! Evtl. fahrend entlang der Mosel, mit Kunsthandwerk!

21.2.82
Boyinra – Landschaften+ Städte, aufnehmen als Sujet und dann abstrahieren.
Sprache ähnlich den Bildern – einmal sehr klar und stechend, klar formuliert und zerbersten in das Puzzle der Anomalie.

ich möchte ganz klar formulieren, Wandlung – lass ich – Unklarheiten.
Nicht zu vergessen. Die Navajo-Indianer. Sandbilder, Dope-Malerei. Sie hat einen hohen künstlerischen Stellenwert, weil sie Zustände darstellt, die dem Zellinneren zuzuschreiben sind, übrigens – warum ich Arno Schmidt verehre, ist doch klar: wegen seiner Arroganz.

Bild malen mit Öl, Acryl und Konturen mit Tuben zeichnen + dann in der Farbe nach innen zupinseln. Anders malen.

14.3.82
Umwechslung. Experiment ausgearbeitet, bald Pollock oder Dubuffet.
Ich brauche eine Wohnung!!!!

Seite 168,169,170,171: Zeitungsausschnitte mit abstrakten Masken

2.4.82
Nun bin ich seit zwei Tagen aus der Galerie raus. Komisches Feeling.

16.4.82
So langsam steht die Wohnung und ich muss sehen, dass ich nicht zu fett werde. Zwei Zentner, das reicht.
Ob es mir leid tut? Naja...

18.4.82
Über I Ging und ähnliche Orakelbücher
Beim Lesen des I Ging kommen mir immer die richtigen Gedanken zum Lösen einer schwierigen Situation. Bloß diese in Praxis auszuführen ist ungemein schwierig. Es werden perfekte Rezepte angegeben zum Lösen einer Situation. Aber was helfen dir die schönsten und besten Lösungen, wenn du z. B. kein Geld hast und du hörst, du musst ganz sanft in den Sinn der Lage eindringen, und dann ergibt sich die Lösung von alleine. Diese ganzen Orakelbücher bedürfen einer gleichen Reform wie die Religion. Aber, wenn man die Religion reformiert, dann ist ja nichts von Bestand auf dieser Welt. Wenn Gott aber keinen Bestand hat, dann sind diese Menschen auf sich selbst zurückge-worfen, mit all ihrer Unzulänglichkeit und mitsamt den sinnlosen Tod, den sie sterben, und ich als Gott würde mir den Bauch halten vor Lachen beim Anblick der Skrupel, den sich die Menschen über den Tod machen. Am besten mit einer Flasche Romanée Conti eines superben Jahrganges.
Eigentlich ist es zum Kotzen mit mir. Alles so normal mit mir. Mit 50 Rotwein genießen. Fressen und saufen. Bummsen und so. Naja, aus mir wird schon nichts werden außer Moneymaker, und das will ich anwenden bis zum Geht-nicht-mehr.

Lachen muss auch gekonnt sein. Sinnloses Lachen bei ernster Situation, ist der Anlass angemessen!

Ich werde ein ewiger Idiot bleiben. Allein geht nicht und im Geschäft klappts nicht, da ist der Tod ein willkommener Gast.
Ich bin ein Idiot, der sich einbildet, ein Genie zu sein.

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